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Alle Jahre wieder: Die Inventur
Inventurabwicklung mit modernen ERP-Systemen
Für viele Unternehmen ist es nun bald wieder soweit: Der Jahresabschluss steht an und dies bedeutet für eine Vielzahl der Betriebe eine körperliche Bestandsaufnahme des Umlaufvermögens gem. §240 HGB Abs. 1 sowie der Bewertung des Inventars. Sowohl für die körperliche Bestandsaufnahme als auch für die Bewertung des Inventars gewährt der Gesetzgeber Vereinfachungsverfahren sowie einen gewissen Gestaltungsspielraum. Doch egal, für welches Inventurverfahren sich Unternehmen entscheiden: Die jährliche Bestandsaufnahme bleibt ein aufwändiger, mit Tücken behafteter Prozess, der ohne den Einsatz einer modernen ERP Software, kaum zu bewältigen wäre.
Im Bereich der körperlichen Bestandsaufnahme können bspw. neben der gängigen Stichtagsinventur gem. §241 HGB auch das Stichprobenverfahren, die permanente Inventur sowie eine Vor- oder nachgelagerte Stichtagsinventur angewandt werden, um den in der Regel sehr aufwändigen Prozess des Zählens, Messens und Wiegens des gesamten Umlaufvermögens zu vereinfachen.
Im Bereich der Bewertung gewährt der Gesetzgeber Wahlfreiheiten über den §255 HGB. Hier können Ausgaben wie Substanzabnutzung durch Produktion oder Verschleiß angesetzt werden, obgleich diese nicht notwendigerweise angesetzt werden müssen. Gleiches gilt für angemessene Teile der Kosten der allgemeinen Verwaltung sowie angemessene Aufwendungen für soziale Einrichtungen des Betriebs und der betrieblichen Altersvorsorge. Aus dieser gesetzlichen Vorgabe ergeben sich für die Unternehmen eine Reihe anspruchsvoller Aufgaben, denen sie sich zu stellen haben. Im Rahmen der körperlichen Bestandsaufnahme ist z.B. die Entscheidung zu treffen, mit welcher Methode das Umlaufvermögen ermittelt werden soll.
Stichtagsinventur – 100%-Aufnahme an einem Tag
So verlangt die sogenannte Stichtagsinventur, dass der Bestand aller Vermögensgegenstände zu einem Stichtag (i. d. Regel zum Endes des Geschäftsjahres) aufgenommen wird. Der Gesetzgeber spricht dann von einer 100%-Aufnahme zum Stichtag. Diese Methode verursacht einen sehr hohen Zeitaufwand innerhalb einer sehr kurzen Zeitspanne. Sofern die Bestandsaufnahme bei einem Stillstand des eigentlichen Betriebsprozesses durchgeführt werden kann, werden mit dieser Methode in der Regel die besten Ergebnisse zum Bilanzstichtag erzielt.
Da eine körperliche Inventur heutzutage jedoch in der Regel bei laufendem Betrieb durchgeführt werden muss und oft durch ungelernte Aushilfskräfte unterstützt wird, sind die Ergebnisse nicht selten fehlerbehaftet.
Vor- und nachgelagerte Stichtagsinventur
Eine nahe Verwandte der Stichtagsinventur ist die vor- und nachgelagerte Stichtagsinventur. Dabei erfolgt die körperliche Bestandsaufnahme innerhalb der letzten drei Monate vor oder der ersten beiden Monate nach dem Schluss des Geschäftsjahrs. Diese Methode setzt jedoch eine Bestandsfortschreibung voraus, um den Vermögenswert zum Geschäftsjahresende zu ermitteln. Der Vorteil liegt jedoch darin, dass der Erfassungsaufwand auf einen Zeitraum von fünf Monaten verteilt werden kann.
Stichprobeninventur unter Berücksichtigung der GoB
Ganz anders verhält es sich mit der Stichprobeninventur: Gemäß §241 HGB darf bei der Aufstellung des Inventars der Bestand der Vermögensgegenstände nach Art, Menge und Wert auch mit Hilfe anerkannter mathematisch-statistischer Methoden auf Grund von Stichproben ermittelt werden. Das angewandte Verfahren muss dabei natürlich den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen (GoB). In der Praxis werden Stichproben für ausgewählte Produktgruppen erfasst. Daraus resultiert dann eine Hochrechnung der Bestände dieser Produktgruppen für die nicht erfassten Bestände. Die Stichprobeninventur selbst beschränkt sich also darauf, den Bestand über Stichproben einer Warengruppe zu ermitteln und daraus den Gesamtbestand dieser Warengruppe hochzurechnen.
Diese Methode reduziert den Erfassungsaufwand erheblich, ist jedoch nur für ausgewählte Warengruppen erlaubt und setzt ebenfalls eine Bestandsfortschreibung voraus.
Permanente Inventur über ein Wirtschaftsjahr
Bei der Permanenten Inventur handelt es sich, wie der Name schon vermuten lässt, um eine Bestandsaufnahme des Umlaufvermögens ganzjährig, also innerhalb des jeweiligen Wirtschaftsjahres. Gefordert wird demgemäß eine 100%-Aufnahme innerhalb des laufenden Wirtschaftsjahres, was eine permanente Bestandsfortschreibung voraussetzt. Die Vorteile bei der Permanenten Inventur bestehen darin, dass sich gerade bei der Erfassung eines niedrigen Güterbestands der Inventuraufwand stark in Grenzen hält. Außerdem lässt sich der Erfassungsaufwand günstig über das gesamte Wirtschaftsjahr verteilen – mit der Möglichkeit, bei geringer Lagerauslastung verstärkt zu erfassen.
Anschaffungs- und Herstellungskosten
Die durch die angeführten Methoden ermittelten Bestände werden dann zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten vermindert um Abschreibungen bewertet. Anschaffungskosten beinhalten gem. HGB diejenigen Aufwendungen, die geleistet werden müssen, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Herstellungskosten sind gemäß HGB diejenigen Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes entstehen – ebenso für seine Erweiterung oder für eine (über den ursprünglichen Zustand hinausgehende) wesentliche Verbesserung (des Vermögensgegenstandes). Dazu gehören bspw. die Materialkosten, die Fertigungskosten, die Sonderkosten der Fertigung sowie angemessene Teile der Materialgemeinkosten, der Fertigungsgemeinkosten sowie des Werteverzehrs des Anlagevermögens.
Herstellkosten vs. Herstellungskosten
Für Unternehmen ergibt sich daraus die Aufgabe, Kalkulationsschemata zu erstellen, die diesen Anforderungen Rechnung tragen. Und im Gegensatz zu den klassischen Herstellkosten, die üblicherweise zur internen Bewertung ermittelt werden, werden die Bestände zu den in §255 HGB definierten Herstellungskosten bewertet.
Herstellkosten bestehen üblicherweise aus Materialeinzelkosten, Materialgemeinkosten, Fertigungseinzelkosten, Fertigungsgemeinkosten sowie den Sonderkosten für die Fertigung. Der wesentliche Unterschied zwischen den Herstellkosten und den Herstellungskosten liegt also in der zusätzlichen Berücksichtigung des Werteverzehrs des Anlagevermögens sowie optional angemessene Teile weiterer Aufwendungen für allgemeine Verwaltung, dazu gehören bspw. soziale Einrichtungen des Betriebs, freiwillige soziale Leistungen oder betriebliche Altersversorgung.
Work-in-Process-Bewertungen bei Fertigungsbetrieben
Fertigungsbetriebe müssen darüber hinaus die „in Arbeit befindliche Ware“ im Rahmen einer Work in Process-Bewertung (WIP-Bewertung) berücksichtigen. Hier sind die im Rahmen des Fertigungsprozesses bereits eingeflossenen Wertschöpfungen sowie der Werteverzehr (bspw. Fertigungszeiten, eingesetzte Materialien) zum Inventur-Stichtag anzusetzen, die noch nicht über Bestandserhöhungen im Rahmen von Bestandszubuchungen erfasst sind.
Niederstwertprinzip beachten
Im Rahmen der Inventurbewertung gewährt der Gesetzgeber jedoch Bewertungsspielräume. Gemäß §252 HGB ist „vorsichtig zu bewerten“. Das heißt: Namentlich sind alle vorhersehbaren Risiken und Verluste, die bis zum Abschlussstichtag entstanden sind, zu berücksichtigen, selbst wenn diese erst zwischen dem Abschlussstichtag und dem Tag der Aufstellung des Jahresabschlusses bekannt geworden sind; Gewinne sind nur zu berücksichtigen, wenn sie am Abschlussstichtag realisiert worden sind.
Daraus ergibt sich bspw. das „Niederstwertprinzip“, welches dem Umstand Rechnung trägt, dass Anschaffungs- oder Herstellungskosten den tatsächlichen Wert übersteigen können, sowie die Abschreibung vom Umlaufvermögen. Hieraus resultieren bspw. Abschreibungsmethoden gemäß Lagerreichweite, Lagerumschlaghäufigkeit oder auch die Möglichkeit, Gegenstände abzuschreiben, die mittlerweile zum Ladenhüter geworden sind.
Durchgängiges ERP-System macht‘s möglich
Die Umsetzung all dieser Aufgaben, die im Rahmen einer Inventur geleistet werden müssen, ist heute ohne die Unterstützung eines ERP-Systems nicht mehr vorstellbar. Angefangen vom Erstellen der Zähllisten gemäß gewählter Inventurmethode, über die Verbuchung der Bestandsdifferenzen, der Kalkulation des Umlaufvermögens nach den Bewertungsvorgaben des HGB, der Berücksichtigung und Bewertung der „Ware in Arbeit“ bis hin zur Ausnutzung der Bewertungsspielräume im Rahmen der Abwertung – all dies macht den Einsatz eines modernen ERP-Systems unverzichtbar.