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Das Lastenheft: Von Lasten und Pflichten
ERP-Einführung: Wie wichtig sind Lastenhefte heute?
Projektstrukturen in Unternehmen werden zunehmend agiler, dementsprechend werden auch Softwareprojekte immer agiler, sprich inkrementell und iterativ umgesetzt. Da erscheint ein starr geführtes Lastenheft erstmal wie ein Relikt aus einer anderen Zeit. Doch gerade für mittelständische Unternehmen ist die Einführung einer Unternehmenslösung nach wie vor ein komplexes Projekt, das Kapital, Zeit und Personal bindet. Da kann sich eine „Ach fangen-wir-einfach-mal-an“-Mentalität schnell rächen. Deshalb gilt auch in Zeiten des agilen Projektmanagements: Ein gut geführtes Lastenheft erleichtert die Suche nach dem passenden Anbieter und dient später als Grundlage für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Zugegeben, die Erhebung der Anforderungen ist für ein Unternehmen eine meist nicht ganz triviale Aufgabe. Am Anfang steht oft nicht mehr als eine grobe Idee – z. B. die Prozesse in der Fertigung oder im Vertriebs zu optimieren. Um also die passende Software zu finden, müssen grundlegende Anforderungen im Vorfeld spezifiziert werden.
An dieser Stelle kommt das Lastenheft ins Spiel: Das Lastenheft ist das Ergebnis einer sorgfältigen Anforderungsanalyse und fällt somit in den Bereich des Anforderungsmanagements. Es beschreibt die Gesamtheit der Anforderungen eines Unternehmens an die Lieferungen und Leistungen seines Auftragnehmers. Das klingt umfangreich – und genau das ist es in der Regel auch: Ein gut geführtes Lastenheft kann durchaus über 2.500 Punkte aufweisen, die vom Softwareanbieter alle einzeln erfüllt werden müssen. Unternehmen sollten also genügend Zeit und Ressourcen in die inhaltliche Planung investieren. Ratsam sind dafür auch Workshops oder unabhängige ERP-Berater.
Lasten, die erleichtern
Das ERP Lastenheft hat meist die Ausprägung einer detailreichen Beschreibung der benötigen Softwarefunktionalitäten des suchenden Unternehmens. Das frühe Erarbeiten dieser Details bietet zahlreiche Vorteile, denn der standardisierte Anforderungskatalog wird nachfolgend den einzelnen Unternehmenssoftware-Anbietern vorgelegt, sodass einige gleich ausgeschlossen werden können und sich die übrigen gut miteinander vergleichen lassen. Nach der Entscheidung für einen bestimmten Anbieter kann das Lastenheft auch als Vertragsgrundlage und Basis für die Erstellung des Feinkonzeptes herangezogen werden. Aus den funktionalen Anforderungen wird im Rahmen des Feinkonzeptes die prozessuale Abbildung im ERP System abgeleitet. So haben beide Seiten schon zu einem relativ frühen Projektzeitpunkt etwas, an dem sie sich festhalten können: Der Auftraggeber weiß, mit welchen Kosten er zu rechnen hat, und der Auftragnehmer weiß, was ihm an Aufwand und Entlohnung ins Haus steht.
Dank agiler Entwicklung weg vom statischen Projekt
Als mittelständisches Unternehmen sollte man vor dem anfänglichen Umfang eines Lastenheftes nicht erschrecken. Eine stark auf die jeweilige Branche vorkonfigurierte ERP-Lösung erfüllt die meisten Anforderungen schon aus dem Stand. Aus Vertragssicht ist man jedoch immer auf der sicheren Seite, wenn die Punkte einzeln aufgeführt werden. Aufgabe des Softwareanbieters ist es nun dem Projekt Leben einzuhauchen – und hier schließt sich der Kreis zum agilen IT-Projekt: Im früher verbreiteten Wasserfallmodell der Softwareentwicklung erfolgte die Umsetzung der Anforderungen statisch auf Basis des Lastenhefts – und landete aus Anwendersicht nicht selten weit entfernt von der Ursprungsidee. Agile Entwicklung stellt heute den Anwender in den Mittelpunkt und setzt voraus, dass zu Beginn der Entwicklung nicht alle Funktionalitäten vollumfänglich beschrieben sind, sondern zur Projektlaufzeit iterativ mit Kunden-Feedback erarbeitet werden.
Prozessmodellierungen statt Neuentwicklung
Die Realität in Unternehmen lässt sich nun mal nicht vom Start weg 1:1 mit einer standardisierten Software abbilden. Jede Lösung bringt unterschiedliche Stärken und Schwächen mit. Entscheidend sind immer die konkreten Anwendungsfälle vor Ort. Die kundenindividuellen Anforderungen werden deshalb innerhalb des Projekts in enger Zusammenarbeit mit dem Kunden realisiert. Dafür müssen heute auch keine aufwändigen Neuentwicklungen mehr gemacht werden, sondern es handelt sich vielmehr um ein schlichtes Customizing der Standardsoftware. Bei einer modernen Unternehmenssoftware stehen die meisten Funktionen ohnehin „Out of the Box“ zur Verfügung und müssen nicht neu erarbeitet werden. Anwender profitieren außerdem von der stetigen Weiterentwicklung einzelner Anwendungen sowie den einfließenden Best Practices anderer Kunden.
Standardsoftware muss heute ebenfalls agil sein
Wenn das Softwareprojekt agil umgesetzt wird, muss auch die ERP-Lösung agil sein. Hier gibt es jedoch von Anbieter zu Anbieter noch große qualitative Unterschiede. Wichtig ist, dass die Standardlösung einen festen funktionalen Kern besitzt, aus dem sich vielfältige Customizing-Möglichkeiten ergeben. Dazu gehören bspw. Zusatzmodule, Add-ons oder auch mobile Apps. Alles Dinge, die vielleicht nicht gleich zu Beginn des Projektes im Lastenheft festgeschrieben waren.
Moderne Unternehmenssoftware ist zudem nicht mehr monolithisch aufgebaut. Kundenanforderungen, die während des Projektes entstehen, können agil mit Extensions bzw. BPM (Business Process Management) umgesetzt werden. Mithilfe des BPMs kann ein Anwender sogar selbstständig Geschäftsprozesse visualisieren und bedarfsgerecht modellieren. Anregungen aus den Fachabteilungen werden auf diese Weise direkt und ohne kostspieligen Programmieraufwand umgesetzt.
Eine moderne Extension-Technologie ermöglicht die Release-sichere Realisierung von Modifikationen. Sind Anpassungen notwendig, werden diese vom Kern separiert hinterlegt. Bei einem Release-Wechsel wird also lediglich die neue Version installiert und die Extensions quasi einfach darüber gelegt.
FAZIT: Wichtig ist somit neben einer guten funktionalen Lösung ein vertrauensvolles Verhältnis zum ERP-Anbieter. Das erleichtert nicht nur die Erstellung des Lastenhefts sondern hält auch den Projekt- und Kostenaufwand überschaubar.